Traditionen - Asche oder Feuer? (GuSp)

Aus Infopedia
Wechseln zu:Navigation, Suche

Logo: PPÖ/Paul Kubalek
Traditionen haben in der Pfadfinder*innenbewegung weltweit einen besonderen Stellenwert. Für GuSp sind wiederkehrende Rituale, Zeremonien und Symbole eine Orientierungshilfe. Sie geben die Möglichkeit, sich an vorgegebenen Handlungen und den dadurch vermittelten Werten anzuhalten und sich so leichter in der Gemeinschaft zurechtzufinden. Traditionen können schon in der Gruppe bestehen oder durch die GuSp selbst entwickelt werden. Wichtig ist, Traditionen immer wieder zu reflektieren und anzupassen. Traditionen zu leben heißt, diese immer wieder zu interpretieren und weiterzuentwickeln!


Der Hintergrund

Was ist eine Tradition?[Bearbeiten]

Der Begriff Tradition ist vielschichtig. Wir verstehen darunter überbrachte und etablierte Antworten auf wiederkehrende Fragen innerhalb einer sozialen Gruppe, wie etwa einer Gruppe der Bevölkerung, einer Familie, oder eben einer Pfadfinder*innengruppe. Diese erprobten Antworten können Handlungsmuster sein, Überzeugungen und Wertesysteme, Rituale und Gepflogenheiten, auch Fertigkeiten und bewährtes Wissen. Entgegen der oft verwendeten Bedeutung sind Traditionen nicht nur althergebrachte Bräuche, sie können sich auch innerhalb kurzer Zeit ausbilden, wie etwa ein Begrüßungsritual in einer Patrulle.

Traditionen sind ein wichtiger Bestandteil der Pfadfinder*innenbewegung. Man findet sie auf vielen Ebenen, wie zum Beispiel:

  • Weltverbände: Jamboree, Woodbadge
  • Nationale und regionale Verbände: Landeslager, Landesabenteuer
  • Gruppen: Verleihungszeremonien, Versprechensfeiern, regelmäßige Gruppenlager
  • Patrullen: Begrüßungsrituale, Rufe, Lieblingsspiele


Oft ist schwer festzustellen, wo Gewohnheit aufhört und wo die Tradition (die man auch weitergibt) beginnt. Sicher ist, dass die Pfadfinder*innenbewegung ihre Traditionen stark mit ihren Symbolen und Werten verknüpft.

Welche Bedeutung haben Traditionen in der PfadfinderInnenarbeit?[Bearbeiten]

Traditionen sind unter anderem durch den Punkt „Symbolischer Rahmen“ ein Teil der PfadfinderInnenmethode. Du setzt Traditionen im Rahmen des Programmangebots der jeweiligen Altersstufe ein. Damit hilfst du den Kindern und Jugendlichen dabei, sich mit unseren grundlegenden Werten zu identifizieren, bietest Raum für das Ausprobieren neuer Rollen und Möglichkeiten und förderst den Zusammenhalt und die Verbundenheit innerhalb der Gruppe. Traditionen geben damit Orientierung und Beständigkeit. Wenn du eine Traditionen weitergibst, ermöglichst du anderen sich in einem neuen Rahmen zurechtzufinden.

Kinder, die neu in die GuSp-Stufe kommen, werden in den ersten Heimabenden in den gewohnten Abläufen und Ritualen leicht Orientierung in der neuen Umgebung finden: Elemente wie Begrüßungsrituale, bekannte Spiele, Patrullenrufe, ein Verabschiedungsritual helfen dabei. Auch neue LeiterInnen finden in bestehenden Traditionen ein Gerüst, an dem sie sich festhalten können. Man startet nicht im Leeren, kann aber dieses Gerüst immer wieder neu zusammen- oder umbauen. Die Guides und Späher profitieren von vorgefundenen Traditionen, können aber auch durch den reflektierten Umgang mit ihnen dieses Gerüst verändern.

Wie lange besteht eine Tradition?[Bearbeiten]

Tradition ist etwas, das sich in der Vergangenheit bewährt hat – als solches sollst du es auch einordnen. Jede Tradition hat einmal als etwas Neues begonnen und kann und sollte, wenn sie nicht mehr sinnvoll erscheint, auch abgewandelt oder beendet werden. Überlege dir, was die Tradition vermitteln will: Ein erwünschtes Handlungsmuster? Einen Wert der PfadfinderInnenbewegung? Eine bewährte Umgangsform? Oder doch etwas nicht mehr Zeitgemäßes, etwas „Inhaltsleeres“; etwas, das den Werten der PfadfinderInnenbewegung, der Gruppe oder der Patrulle entgegensteht?

Meine Tradition – deine Tradition?[Bearbeiten]

Traditionen stammen entweder aus dem eigenen Umfeld, oder sie werden von der Umwelt (einer anderen Patrulle, einer anderen Gruppe) übernommen. Traditionen haben somit aber auch unterschiedliche Verbreitungskreise: im engen Umfeld, in der eigenen Gruppe, im Bezirk, etc. Eine Tradition, die in einer Gruppe gut funktioniert, passt für eine andere Gruppe vielleicht gar nicht.

Welche Vor- und Nachteile bieten Traditionen?[Bearbeiten]

Traditionen sind für dich da, nicht du für sie. Werde dir deshalb bewusst, wie sie funktionieren und wie du sie nutzen kannst!

Traditionen haben Stärken und bieten Möglichkeiten[Bearbeiten]

Traditionen bringen Leben in eine Gemeinschaft, sind sinnstiftend und fördern die gemeinsame Identität. Für deine pädagogische Arbeit bieten Traditionen viele Vorteile:

  • Die Phantasie der Guides und Späher wird angeregt und der sensible Umgang mit Werten entwickelt.
  • Sie stärken das Gefühl für Gemeinschaft und gemeinsame Ziele.
  • Sie unterstützen die Vermittlung von Werten der Pfadfinder*innenbewegung.
  • Sie setzen pfadfinderische Aktivitäten in einen größeren Zusammenhang.
  • Sie ermutigen dazu, sich persönliche Ziele zu stecken und vermitteln den Wert der/des Einzelnen in der Gesellschaft.


Setzt du diese Stärken von Traditionen – und auch die Auseinandersetzung mit ihnen - bewusst ein, kannst du die Guides und Späher gut bei ihren Entwicklungsaufgaben unterstützen.

Traditionen können sich negativ auswirken und Hindernisse sein[Bearbeiten]

Traditionen können aber auch hemmend oder zerstörerisch auf die freie Entwicklung wirken, wenn sie unhinterfragt angewandt werden und die Guides und Späher gegen ihren Willen einschränken. Problematisch sind insbesondere Traditionen, die sinnentleert sind oder den Werten der PPÖ entgegenstehen. Sie werden aber oft mit dem leeren Argument aufrechterhalten, dass es eben „Traditionen“ sind. Das können „Initiationsriten“ bei Überstellungen sein, paramilitärische Rituale oder öffentliche Bloßstellungen. Manche problematischen Rituale sind auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen. Wenn du Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Traditionen hast, kannst du gemeinsam mit deinem Team die Methode „TradiPfadi“ anwenden (siehe unten). Alle Rituale und Traditionen, bei denen der freie Wille oder das Recht der Kids auf Schutz der eigenen Privatsphäre beeinträchtigt werden, sind abzulehnen. Fachwissen für Leiter*innen zu Sicherheitshalber

Wenn den Guides und Spähern Traditionen nicht erklärt oder vermittelt werden oder sie gar zum Selbstzweck verkommen, stören sie die freie Entfaltung des/der Einzelnen. Ermögliche als Leiter*in deinen Guides und Spähern diese bewusste Auseinandersetzung.

Für Jugendliche in diesem Alter ist es wichtig, ihr Zusammenleben durch Rituale zu strukturieren. Die Patrullentraditionen als Traditionen der Clique kommen von den Guides und Spähern selbst, sollten aber von ihnen nicht ungefragt übernommen und akzeptiert werden.

Welche Arten von Traditionen gibt es bei den Pfadfinder*innen?[Bearbeiten]

Bei den Pfadfinder*innen, insbesondere in der Guides- und Späher-Stufe, sind Rituale und Zeremonien häufig anzutreffen.

Rituale[Bearbeiten]

Rituale sind erlernte Verhaltensweisen, die anlassbezogen sind und häufig keiner besonderen Vorbereitung bedürfen. Dazu zählen zum Beispiel:

  • ein Patrullenruf
  • ein Anfangs- und Schlusskreis im Heimabend
  • eine regelmäßig angewendete Reflexionsmethode
  • das Hochziehen der Fahne zu Beginn eines Lagers


Die Guides und Späher, die diese Rituale kennen, wissen was zu tun ist und können sich in ihrem Verhalten an ihnen orientieren. Rituale stärken den Zusammenhalt, vermitteln Sicherheit und Vertrauen und schaffen eine gewisse Atmosphäre.

Auf der anderen Seite schaffen Rituale auch Außenseiter und können die Guides und Späher einschränken, wenn sie zu starr sind. Wenn hinter einem Ritual kein Sinn mehr erkennbar ist, nicht jeder weiß, was es bedeutet, oder Symbole missverständlich sind, kann es auch zerstörerisch wirken. Dann darfst und sollst du diese auch abändern und beenden.

Darüber hinaus verwenden wir Elemente von Ritualen, um spirituelle Erlebnisse zu gestalten. -> Grünton: Spiritualität als Teil des GanzenSiehe auch Kapitel "Spiritualität als Teil des Ganzen (GuSp)"

Zeremonien[Bearbeiten]

Zeremonien bedürfen im Gegensatz zu Ritualen einer guten Vorbereitung und haben eine gewisse Dramaturgie, wie ein Theaterstück. Eine Versprechensfeier, eine Überstellung oder eine Verleihung schaffen eine feierliche Atmosphäre und bieten Raum für viele Inhalte. Solche Zeremonien transportieren durch die besondere Atmosphäre Werte und stärken den Zusammenhalt, auch über die Patrulle hinaus. Andererseits können Zeremonien sinnentleert und veraltet sein, unnötig lange dauern und keine Abwechslung bieten und die Guides und Späher zu einem passiven Publikum machen, das einem Zeremonienmeister zuschaut. Stell dir ein Guide oder einen Späher vor, das/der sich aus eigener Motivation intensiv mit dem 'Meine Schritte zum Versprechen' auseinandersetzt und dann bei seiner Versprechensfeier nur "durchgeschleust" wird. Hier kannst du durch eine aktive Beteiligung der Kids an der Zeremonie den Wert des Versprechens als individuelle Entscheidung der/des Einzelnen hervorheben. Vom selbstgemachten Halstuchknoten bis zur Mitgestaltung der Versprechensfeier stehen dir alle Möglichkeiten offen!

Was heißt das in der Praxis?[Bearbeiten]

Wie kannst du Traditionen in deiner Pfadfinder*innenarbeit nutzen? Mache dir bewusst, was du mit ihnen erreichen willst oder erreichen kannst.

Traditionen bewusst einsetzen[Bearbeiten]

Nutze Traditionen, um die Guides und Späher bei ihrer Entwicklung zu fördern. Rituale und Zeremonien ermöglichen und erleichtern wertvolle Pfadfinder*innenarbeit:

  • Im Heimabend wird den Guides und Spähern durch einen Anfangs- und Schlusskreis der Beginn und das Ende signalisiert.
  • Durch eine regelmäßige Reflexion am Ende des Heimabends wissen sie, dass ihre Meinung geschätzt wird und erkennen, dass es auch andere gleichwertige Meinungen gibt.-> Grünton: Die Entwicklungsaufgaben und Methoden der GuSp- StufeSiehe auch Kapitel "Die Entwicklungsaufgaben und Methoden der GuSp- Stufe (GuSp)"
  • Ein selbstgewählter Patrullenname, -ruf oder -wimpel stiftet Identität in der Patrulle und stärkt den Zusammenhalt, genauso wie ein regelmäßiger Patrullenheimabend.
  • Die Überstellungsfeier kann von deinen Guides und Spähern mit geplant werden. Die „Neuen“ aufzunehmen und die „Alten“ zu verabschieden ist eine der Patrullenaufgaben.-> Grünton: Das Patrullensystem - schrittweise als Patrulle ein Team werdenSiehe auch Kapitel "Das Patrullensystem - schrittweise als Patrulle ein Team werden (GuSp)"
  • Besondere Momente, wie eine Zeremonie, können die Bedeutung der Werte eines Pfadfinder*innenversprechens oder einer besonderen Leistung anschaulich machen.


Sei dir bewusst, was die Tradition bei dir, deinen Mitleiter*innen und insbesondere den Guides und Spähern auslöst: Das Wissen um Stärken (sinnstiftend) und Schwächen (sinnlose Einschränkung der Guides und Späher) bestimmter Traditionen als auch um den entwicklungspädagogischen Hintergrund (z. B. Anregung der Phantasie, identitätsstiftend, Zusammenhalt stärkend) hilft dir dabei, bewusst mit diesem Werkzeug umzugehen. Nutze Traditionen nicht, weil diese "immer schon" benutzt wurden - sondern hinterfrage den Wert für dich und deine Guides und Späher.

Traditionen hinterfragen und abändern[Bearbeiten]

Traditionen bewusst einzusetzen, heißt auch diese von Zeit zu Zeit kritisch zu hinterfragen. Ist der Zweck der Tradition noch klar oder ist sie sinnentleert? Deckt sich die Tradition mit der Lebenswelt der Kids oder ist sie veraltet? Passt die Tradition zu unseren Werten oder widerspricht sie unserem pädagogischen Auftrag? Hinterfragt die eingesetzten Traditionen und entscheidet im Team, ob ihr eine bestimmte Tradition ändern oder beenden wollt.

Des Weiteren mache dir und deinen Guides und Spähern bewusst, warum ihr diese Tradition habt. Was ist der historische oder pädagogische Hintergrund der Traditionen?

  • Baut ihr die Kochstellen auf dem Sommerlager immer auf dieselbe Art und Weise? Gäbe es andere Möglichkeiten?
  • Ist eine Telefonkette im Zeitalter von neuen Kommunikationsmöglichkeiten noch sinnvoll? Was würdet ihr gerne benutzen?
  • Machen bestimmte Patrullenämter noch Sinn?
  • Woher kommt die Tradition, die du weitergibst? Wer hat diese gestaltet, wann und mit welchem Hintergrund? Eine Tradition ist eine erprobte Antwort auf ein wiederkehrendes Problem, überlege dir: Vielleicht existiert das Problem gar nicht mehr?
  • Ermuntere die Guides und Späher Traditionen zu hinterfragen, abzuändern, zu beenden, sowie gänzlich neue Traditionen zu erfinden.


Du kannst dich mit deinem Leitungsteam zusammensetzen und mit Hilfe des "TradiPfadi" oder auf eine eigene Art diejenigen Traditionen, die eure Guides und Späher erfahren, aufschreiben. Welche erachtet ihr als besonders sinnvoll? Bei welchen wisst ihr nicht mehr woher sie kommen? Gibt es immer wiederkehrende Herausforderungen mit euren Guides und Spähern, z.B. bei der Wahl des Kornetten, und ihr überlegt eine neue Methode dafür – könntet ihr diese mit einem Ritual versehen, das ihr neuen LeiterInnen und Jugendlichen weitergebt?

Durch die Auseinandersetzung mit den Traditionen vermittelst du deinen Guides und Spähern, dass sie selbst ihr eigenes soziales Umfeld gestalten können. Die Patrulle darf und soll ihre eigenen Traditionen entwickeln.

Wenn du eine bestehende Tradition beenden willst, wirst du leicht auf Widerstand stoßen, eigenen als auch fremden. Vielleicht braucht eine Tradition ja nur eine kleine Veränderung und Erneuerung, um weiterhin sinnvoll für die Entwicklung der Guides und Späher zu sein. Manchmal ist aber auch ein Abschied von der Tradition notwendig.

Traditionen neu gestalten[Bearbeiten]

Sowohl du, als auch deine Guides und Späher dürfen und sollen neue Traditionen entwickeln. Für die von dir gestalteten Traditionen soll der pädagogische Nutzen im Vordergrund stehen: Was bewirkt diese neue Tradition Gutes für die Entwicklung deiner Guides und Späher? Nutze hierfür auch die Kombination von Tradition und Methoden, wie z.B. dem Patrullenrat oder dem 'Meine Schritte zum Versprechen'.
-> Grünton: Meine Schritte zum Versprechen - sich für die Pfadfinder*innen entscheidenSiehe auch Kapitel "Meine Schritte zum Versprechen - sich für die Pfadfinder*innen entscheiden (GuSp)"

Damit die Guides und Späher eigene Traditionen schaffen wollen und können, benötigen sie Freiraum und deine Anleitung zur Reflexion schon bestehender Traditionen. Insbesondere im Rahmen von Patrullen werden rasch neue Rituale und Traditionen entstehen. Andere Patrullen, aber auch das LeiterInnenteam, sind dabei Vorbilder.

Weiterführendes[Bearbeiten]

Weiter Informationen dazu findest du auch im Fachwissen für Leiter*innen „Symbolischer Rahmen“ https://ausbildung.ppoe.at/mod/wiki/view.php?pageid=7.

In der PIK8 findest du einen Eintrag zu Traditionen

Die PPÖ haben eine Methode entwickelt, um sich bewusst als Leitungsteam mit Traditionen auseinandersetzen: den TradiPfadi

… weitere Daten zur Seite „Traditionen - Asche oder Feuer? (GuSp)
KategorieInhaltskategorie 
Grüntöne +  und Grundlagen und Hintergründe +
KurzbeschreibungKurzbeschreibung
[[Datei:Grüntöne.png|links|rahmenlos|Logo:
Logo: PPÖ/Paul Kubalek
Traditionen haben in der Pfadfinder*innenbewegung weltweit einen besonderen Stellenwert. Für GuSp sind wiederkehrende Rituale, Zeremonien und Symbole eine Orientierungshilfe. Sie geben die Möglichkeit, sich an vorgegebenen Handlungen und den dadurch vermittelten Werten anzuhalten und sich so leichter in der Gemeinschaft zurechtzufinden. Traditionen können schon in der Gruppe bestehen oder durch die GuSp selbst entwickelt werden. Wichtig ist, Traditionen immer wieder zu reflektieren und anzupassen. Traditionen zu leben heißt, diese immer wieder zu interpretieren und weiterzuentwickeln!
zu interpretieren und weiterzuentwickeln! +
SchlagwörterSchlagwörter
Tradition +, Ritual +  und Zeremonie +
StatusStatus des Inhalts