GOLD-Langfristige Planung in der Gruppe
Wo sind wir in den nächsten drei bis zwölf Jahren?
Innerhalb einer Pfadfinder*innengruppe ist die Gruppenleitung als Manager tätig und die Schlüsselperson für die Weiterentwicklung und mögliche Neustrukturierung ihrer Gruppe. Management umfasst die Führung und Leitung von Menschen und Teams, benötigt Verantwortungsbewusstsein und ein gesamtheitliches Verständnis für die verschiedenen Aspekte der Führungstätigkeit.
Wie schon erwähnt (siehe Vorwort und Herausforderung Leitung), benötigen die Verantwortlichen der Gruppe – ER und Gruppenleitung – die nachfolgenden Qualifikationen (Fähigkeiten):
- Leading
- Coaching
- Organizing
In diesem Kapitel wollen wir uns aber intensiv mit der Fähigkeit Leading beschäftigen, weil diese oftmals ein wenig zu kurz kommt.
Leading heißt verantwortlich sein für:
- die Festlegung der Ziele einer Pfadfinder*innengruppe (Wachstum, Verankerung im Ort, in der Stadt, „Jugendpolitik“, etc.)
- die Erarbeitung eines Leitbildes (als Verhaltenskodex innerhalb der Gruppe und als „Botschaft“ für die Öffentlichkeit)
- die Präsentation dieses Leitbildes in der Öffentlichkeit, um manche ungeliebten Klischees (z.B. Fähnlein Fieselschweif) endgültig loswerden zu können.
- Leading ist der klare Auftrag, immer wieder auch einen klaren Blick in die weitere Zukunft zu werfen, Vorstellungen für die Zukunft zu entwickeln, die Zukunft zu planen
Langfristige und strategische Planung[Bearbeiten]
Langfristige Planung beschäftigt sich mit langfristigen Zielen und berücksichtigt verschiedene Bereiche, d.h. Fragestellungen, die Mission, das Leitbild und die Vision der PPÖ, sowie das gesellschaftliche Umfeld der eigenen Gruppe, die es uns ermöglichen und erleichtern sollen, über das kommende Pfadfinder*innenjahr hinaus in die weitere Zukunft planen zu können. Denn genau das ist notwendig: nicht nur im Hier und Jetzt leben, sondern sich auch die Frage stellen, wie sieht die Zukunft in 3 - 10 Jahren aus, wenn die derzeitigen WiWö dann RaRo bzw. vielleicht sogar Leiter*innen sind. Was will ich als Gruppenleiter*in bis dahin gemeinsam mit den JugendleiterInnen meiner Pfadfinder*innengruppe erreicht haben? Wo soll meine Gruppe dann stehen? Wie lässt sich das alles mit den Zielen der PPÖ in Einklang bringen?
Die strategische Pyramide[Bearbeiten]
Die nachfolgende Darstellung liefert eine gute Übersicht über die verschiedenen Planungshorizonte, die es in der strategischen Planung innerhalb einer Pfadfinder*innengruppe zu berücksichtigen gilt:
- operative, kurzfristige Ziele – diese müssen in der nahen Zukunft, längstens innerhalb eines Jahres, erledigt werden
- mittelfristige Ziele – diese umfassen einen Zeitraum von 1 bis 3 Jahren
- langfristige Ziele – diese erstrecken sich über einen zukünftigen Zeitraum von 3 bis 10 Jahren
Die Spitze der strategischen Pyramide bilden
- die Vision, d.h. das ist eine weit in die Zukunft gerichtete Orientierung des Vereins
- das Leitbild: eine Konkretisierung der Vision, welches die Orientierung nach Innen und nach Außen vorgibt; formuliert als Kernaussagen die mittel- und langfristigen Vereinsziele
Die aktuelle Vision der PPÖ lautet:
- Mit Mut zu Abenteuer und gelebter Vielfalt sind wir die Kinder- und Jugendbewegung für selbstbestimmte Entfaltung und nachhaltiges Engagement.
- Wir sind mutig.
- Wir haben Mut zu Abenteuer und nachhaltigem Engagement.
- Wir sind bunt.
- Wir leben Vielfalt und eröffnen Kindern und Jugendlichen Raum für selbstbestimmte Entfaltung in der Gemeinschaft.
- Wir sind laut.
- Wir machen uns öffentlich für Kinder und Jugendliche stark.
Seit Herbst 2007 haben auch die PPÖ ein Leitbild, das du im Kapitel Leitbild findest, sowie auf der Homepage der PPÖ.
Das Fundament für die strategische Planung bilden sicher die in der Verbandsordnung festgeschriebenen Ziele und Werte der PPÖ, im professionellen Bereich werden diese Aussagen auch Mission genannt.
Wir fördern die ganzheitliche Entwicklung von jungen Menschen zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten durch ein Wertesystem, das auf Gesetz und Versprechen der Pfadfinder und Pfadfinderinnen Österreichs aufbaut.
Wir helfen mit, eine bessere Welt zu schaffen, in der Menschen ihr Potenzial entfalten und sich aus ihrem Glauben in der Gesellschaft engagieren.
Das erreichen wir, indem wir die Pfadfinder*innenmethode anwenden, bei der jede und jeder Einzelne Verantwortung für die eigene Entwicklung zu einer engagierten, hilfsbereiten, selbstständigen und verantwortungsvollen Person übernimmt. Quelle: Verbandsordnung der PPÖ
Wesentlich für die langfristige strategische Planung sind auch die strategischen Felder, das sind die „Eckpfeiler“ der Pfadfinder*innenarbeit. Es sind die strategischen Felder
- der weltweiten Verbände WOSM und WAGGGS
- des nationalen Verbandes PPÖ
- der eigenen Gruppe
Die strategischen Felder von WAGGGS, WOSM und den PPÖ
Maßgeblich beeinflusst wird die strategische Planung von:
- Einflüssen des Umfeldes (Gemeinde, Stadtentwicklung etc.)
- den Veränderungen der Gesellschaft
- den Werten, Zielen und Visionen des Verbandes und der Pfadfinder*innengruppe
- ...
Der Prozess der Zielfindung[Bearbeiten]
Der Prozess der Zielfindung umfasst mehrere Schritte und könnte z.B. in den nachfolgenden Schritten ablaufen.
À la Carte - Standortbestimmung
Der erste Schritt ist wohl eine Standortbestimmung der Pfadfinder*innengruppe. Diese Standortbestimmung muss die nachfolgenden Fragen beinhalten:
♦ Was sind die Stärken deiner Gruppe?
♦ Was sind die Stärken deiner Gruppe?
♦ Wo liegen die Chancen für deine Gruppe?
♦ Wo liegen die Risiken für deine Gruppe?
Diese vier Fragen lassen sich recht gut in einer Matrix zusammenfassen und sind auch unter SWOT (Strength, Weakness, Opportunities, Threads) Analyse oder SSMB (Stärken, Schwächen, Möglichkeiten, Bedrohungen) Analyse bekannt.
SWOT-Analyse[Bearbeiten]
Die SWOT-Analyse ist eine Momentaufnahme einer Gruppensituation oder eines Projekts und ein mögliches Analyseinstrument auf strategischer Ebene. Es wird das interne Szenario und das äußere Szenario untersucht, das interne Szenario umfasst die eigenen Stärken und Schwächen und das externe Szenario die von außen einwirkenden Behinderungen und auch Möglichkeiten.
À la Carte - Ablauf der Analyse
Nachfolgend ein möglicher Ablauf der Analyse:
1. Sammlung der Schlagworte zu den Stärken, Schwächen, Möglichkeiten und Risiken
2. Begründung der Schlagworte (warum, weil)
3. Welche Stärken ergeben neue Möglichkeiten, welche Schwächen sollten vermieden werden, um Behinderungen zu überwinden?
4. Welche Stärken können Behinderungen beseitigen und welche Schwächen können in neue Chancen umgewandelt werden?
Folgende Fehler sollten vermieden werden:
1. Durchführung einer SWOT-Analyse ohne davor ein Ziel (einen Soll-Zustand) zu vereinbaren. SWOT-Analysen sollten immer bezogen auf ein Ziel erstellt und nicht abstrakt gehalten werden. Wird der gewünschte Soll-Zustand nicht vereinbart, werden die Teilnehmer*innen unterschiedliche Soll-Zustände erreichen, was zu schlechteren Resultaten führt.
2. Externe Chancen werden oft mit internen Stärken verwechselt. Sie sollten streng auseinandergehalten werden.
3. SWOT-Analysen werden oft mit möglichen Strategien verwechselt. SWOT-Analysen beschreiben Zustände, Strategien hingegen Aktionen. Um diesen Fehler zu vermeiden, solltest du möglichst bei Chancen an „günstige Bedingungen“ denken und bei Risiken an „ungünstige Bedingungen“.
4. Bei der SWOT-Analyse wird keine Priorisierung vorgenommen. Es lassen sich keine konkreten Maßnahmen ableiten, Maßnahmen werden also weder beschlossen noch umgesetzt.
Umfeldeinflüsse[Bearbeiten]
In der Analysephase sollten auch ausgiebig die Umfeldeinflüsse diskutiert werden.
Nachfolgend eine Liste von Einflüssen als ein Ergebnis eines Workshops auf einem GL-Aufbauseminar, die auf einem Flipchart festgehalten wurden:
Die Ergebnisse der Standortbestimmung sind der Ausgangspunkt für die strategische Planung. Je nach Zeithorizont ergeben sich hier die strategischen Ziele.
Ziele finden – Ziele setzen[Bearbeiten]
Es gibt – eigentlich wie immer – verschiedene Wege langfristig und doch effektiv zu planen. Die langfristige Planung erfordert einerseits die Freiheit der Gedanken und sollte doch auch immer wieder auf die aktuellen strategischen Felder der Pfadfinder*innenarbeit (weltweit, in Österreich und auch in der Gruppe) Bezug nehmen.
Szenarien[Bearbeiten]
Die strategische Planung ist mit Hilfe der Szenariotechnik möglich.
Die Szenariotechnik ist eine Methode in der Planung, die auf der Entwicklung und Analyse zukünftiger Szenarien beruht. Szenarien stellen dabei „mögliche Bilder in der Zukunft“ dar.
Die Szenario-Technik fokussiert auf die Analyse von Extremszenarien (positives Extremszenario, negatives Extremszenario, Trendszenario) oder besonders relevante/typische Szenarien.
Szenarien werden systematisch aus der gegenwärtigen Situation heraus entwickelt; es sind plausible Zukunftsbilder.
Unter einem Szenario versteht man sowohl die Beschreibung einer möglichen zukünftigen Situation als auch des Pfades, der zu dieser zukünftigen Situation hinführt. Es ist nicht nur ein plausibler Weg in die Zukunft vorstellbar, sondern mehrere Wege sind denkbar und begründbar. Somit sind alternative Pfade in die Zukunft, aber auch alternative Zukunftsbilder zu betrachten.
Ein guter Einstieg in die Szenariotechnik ist z.B. folgendes Vorgehen: Wähle einige strategische Felder für die weitere Arbeit Beschreibe die Gegenwart deiner Pfadfinder*innengruppe in diesen strategischen Feldern Beschreibe die Zukunft deiner Pfadfinder*innengruppe für diese strategischen Felder
Formulierung eines Zieles[Bearbeiten]
Einige Grundsätze zur Formulierung von Zielen:
- Ein Ziel ist ein erwünschter Zustand in der Zukunft.
- Ziele sind geprägt durch das finale Denken.
- Ziele werden gemeinsam positiv formuliert, damit stehen alle dahinter.
- Ein Ziel ist die in der Gegenwart formulierte Zukunft, es enthält keine Maßnahmen.
- Ein Ziel ist einfach formuliert, enthält keine Schachtelsätze, nicht mehrere Ziele in einen Satz.
KISS – keep it simple and stupid!
Überprüfbarkeit von Zielen[Bearbeiten]
Sicherlich ist es wichtig Ziele so zu formulieren, dass sie auch überprüfbar sind. Es gibt dazu zwei kurze Merkwörter, nämlich METER und SMART, die zur Überprüfbarkeit von Zielen herangezogen werden können:
Abkürzung | Erklärung | Abkürzung | Erklärung | |
---|---|---|---|---|
M | messbar | S | specific | |
E | erreichbar | M | measurable | |
T | termininiert | A | achievable | |
E | einfach | R | relevant | |
R | relevant | T | time bound |
Aber nicht alle Ziele der strategischen Planung sind „meterbar“. „Meterbar“ sind eindeutig operative, kurzfristige Ziele.
Für mittelfristige und langfristige Ziele ist es wichtig, definierte Messgrößen aufzustellen, aber bei der Formulierung sollte man auch den Mut haben, nicht alles „meterbar“ zu machen.
Umsetzung von Zielen[Bearbeiten]
Die Umsetzung von Zielen ist sicher nicht immer einfach und es empfiehlt sich auch hier ein methodisches Vorgehen.
Die nachfolgende Matrix hat schon manchem Team und mancher Pfadfinder*innengruppe geholfen, ihre Ziele festzulegen.
Das Interessante an dieser Matrix ist, dass nicht nur das IST und das SOLL festgelegt werden, sondern dass man sich auch mit den möglichen Hindernissen und Widerständen in der Umsetzung auseinandersetzt, und zumindest die ersten Schritte auch konkret angedacht werden.
Maßnahmen[Bearbeiten]
Dennoch kann diese Matrix nur Ausgangspunkt für die Festlegung der konkreten Maßnahmen bilden, eine solche Maßnahmenliste könnte wie folgt aussehen:
Das Vorgehen ist eigentlich ganz einfach. Die Tätigkeiten der ersten Schritte werden fein gegliedert und aufgelistet. Danach legt die Gruppe die Prioritäten fest. Entscheidend ist es dann, anhand der gemeinsam vereinbarten Prioritäten, den Zeitpunkt, bis wann diese Tätigkeit erfüllt sein soll, und wer dafür verantwortlich ist, festzulegen. Wenn du dabei feststellst, dass die Tätigkeiten zu umfangreich und damit nicht überschaubar sind, teile diese einfach nochmals in spezifischere Tätigkeiten auf und du bist auf dem besten Wege, deine Pläne umzusetzen.
Rückschau[Bearbeiten]
Wie du der Zeichnung – der Pyramide der Zielfindung – entnehmen kannst, ist es entscheidend, die Erreichung der gesetzten Ziele auch immer wieder zu überprüfen.
Diese Überprüfung erfolgt nicht täglich, aber zumindest in den in der Zeichnung angegebenen Intervallen. Langfristige Ziele müssen auch immer wieder „nachjustiert“ werden, denn die Einflüsse von außen und auch die Veränderungen in der Gruppe müssen berücksichtigt werden.
GOLD-Das Handbuch für Gruppenleiter und Gruppenleiterinnen, März 2016
Autor*innen: GL-Bundesarbeitskreis