GOLD-Konfliktmanagement
Konflikte sind Chancen!
Konflikte entstehen, wenn unterschiedliche Vorstellungen zu Werten, Zielen, Rollen, etc. aufeinanderprallen. Im Umfeld deiner Arbeit als Gruppenleiter*in solltest du grundsätzlich positiv auf Konflikte zugehen, da ihr Vorhandensein dir zeigt, dass deinem Gegenüber der Konfliktgegenstand wichtig ist. Du solltest die Themen in jedem Fall ernst nehmen. Gelingt es dir eine nachhaltige Lösung herbeizuführen, dann bedeutet dies Entwicklung und Fortschritt für deine Gruppe und die am Konflikt beteiligten Personen.
Was wird als Konflikt beschrieben[Bearbeiten]
Im Allgemeinen wird unter einem Konflikt1 das Aufeinandertreffen von zwei miteinander unvereinbaren Handlungstendenzen verstanden:
- Zwei oder mehr Personen
- verfolgen untereinander gegensätzliche Handlungspläne
- sind sich ihrer Gegnerschaft meist bewusst
Besteht dieser Widerstreit innerhalb einer Person, wird von einem inneren oder auch emotionalen Konflikt gesprochen, bestehen sie zwischen verschiedenen Personen, von einem sozialen oder zwischenmenschlichen Konflikt.
Mögliche Auswirkungen (positiv / negativ)[Bearbeiten]
Konflikte2 haben in sich immer zwei Entwicklungsmöglichkeiten. Wird der Konflikt nicht gelöst oder transformiert, so kann dies zu großen Lebenskrisen und Leid führen. Wird der Konflikt jedoch gelöst, so bedeutet dies zumeist die Entdeckung neuer Fähigkeiten und ungeahnter Ressourcen.
Soziale – also zwischenmenschliche – Konflikte3 sind ein mögliches Mittel für gesellschaftliche Integration. Das bedeutet, dass ein Konflikt das Potential hat das Gruppenbewusstsein zu stärken, eine Gruppenidentität zu schaffen und zugleich einen Gleichwert zwischen den verschiedenen Gruppen herzustellen. Umgekehrt hat ein Konflikt auch die Fähigkeit eine funktionierende Gruppe zu lähmen oder sogar zu spalten.
Zuständigkeiten innerhalb der Pfadfinder*innengruppe[Bearbeiten]
In unseren Statuten und der Verbandsordnung gibt es eine genaue Aufteilung zwischen den Bereichen, die du als Gruppenleiter*in abdeckst, und die der Elternratsobmann bzw. die Elternratsobfrau innehat.
Ein Konflikt im Leitungsteam oder Gruppenrat liegt ganz klar in deinem Zuständigkeitsbereich. Wenn Eltern in die Sache verwickelt sind, kann es mitunter hilfreich sein, den Elternratsobmann beziehungsweise die Elternratsobfrau oder eine andere Person aus dem Elternrat mit ins Vertrauen zu ziehen. Für ganz schwierige Fälle sieht das Vereinsgesetz auch eine Schlichtungsstelle vor, die mit derartigen Problemstellungen betraut werden kann bzw. muss.
Bei folgenden Fällen ist die Schlichtungsstelle/das Schiedsgericht4 auf jeden Fall zu betrauen:
- Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis innerhalb der Gruppe
- Ehrenangelegenheiten zwischen Mitgliedern der Gruppe
- Berufungen gegen die Suspendierung der Gruppenmitgliedschaft
Für Konflikte, die mit vereinsfremden Personen/Körperschaften ausgetragen werden, wie beispielsweise dem Bürgermeister oder einer anderen Behörde, ist die Gruppenleitung grundsätzlich nicht die erste Ansprechperson, sondern jedenfalls der Elternart.
Konfliktanalyse[Bearbeiten]
Du hast erkannt, dass ein Konflikt in deiner Gruppe vorhanden ist, für den du als Gruppenleiter*in zuständig bist. Viel zu häufig wird versucht gleich eine Lösung für den Konflikt zu finden. Doch Stopp! Hast du überhaupt alle Informationen zu diesem Konflikt? Weißt du, worum es geht? Wer ist involviert? Wie ist er entstanden?
Um eine wirklich nachhaltige Lösung des Konflikts zu erreichen, ist es wichtig, alle Seiten eines Konflikts zu kennen und dies mit den beteiligten Personen gemeinsam zu erarbeiten.
Als Vorbereitung empfiehlt sich eine Konfliktanalyse, d.h.: was kannst du dir im Vorfeld als Gesprächsvorbereitung überlegen?5
- Was ist der Sachinhalt?
- Handelt es sich um logisch lösbare Faktoren?
- Ist es eine Panne, die beseitigt werden könnte? (z.B. eine Ausschreibung ging durch ein Versehen zu spät an die Post, das kann leicht das nächste Mal behoben werden)
- Handelt es sich um Widersprüche, wo ein*e jede*r in gewisser Weise „recht“ hat?
- Welche Wünsche und Erwartungen hat man aneinander?
- Welche Motive und Interessen werden vertreten?
- Was spielt sich auf der Beziehungsebene ab?
- Organisatorisches: Wer sollte bei der Klärung dabei sein? Wie schnell sollte eine Klärung herbeigeführt werden?
Auch während der eigentlichen Klärung zwischen den Beteiligten wird es weiterhin wichtig sein, viele Fragen zu den Hintergründen, Interessen und Bedürfnissen zu stellen. Versuche in deiner Fragehaltung folgende Position einzunehmen: „Ich bin interessiert“; „Ich weiß noch gar nichts, bitte erkläre es mir“, „Der*Die Befragte hat mit seiner/ihrer Sicht der Dinge recht.“
Tipps zur Fragetechnik
- Offene Fragen „öffnen“ (Wie, was, welche, warum?)
- Nachfragen – sich nicht mit Allgemeinplätzen zufriedengeben. (konkretisieren, „niemand“, „alle“, „immer“)
- Frage möglichst an den geäußerten Inhalt (sachlich oder emotional) anschließen
Um welchen Konflikt handelt es sich?[Bearbeiten]
Neben vielen Theorien wie man Konflikte unterscheidet, ist eine sehr praktische die Unterscheidung zwischen heißen und kalten Konflikten.
Bei einem heißen Konflikt wird eine direkte Konfrontation mit dem*der Gegenpartner*in gesucht. Regeln und Richtlinien werden missachtet. Die Konfrontation wird emotional, impulsiv, affekthaft und selbstbewusst ausgetragen. Bei den Partner*innen besteht ein Bewusstsein über das Vorhandensein des Konflikts. Ein heißer Konflikt wird dir als Gruppenleiter*in sehr bald auffallen.
Bei einem kalten Konflikt versuchen die in Konflikt stehenden Personen, einander bewusst aus dem Wege zu gehen. Die Kommunikation wird auf ein formelles Mindestmaß, wie zum Beispiel Emails, WhatsApp Nachrichten etc. reduziert. Unpersönliche Regeln und Prozeduren werden entwickelt, um jeglichen Kontakt zu vermeiden. Der kalte Konflikt wird strategisch und überlegt ausgetragen.
Auf kalte Konflikte musst du besonders achten. Es kann leicht sein, dass du diese erst viel zu spät identifizierst oder nie. Das Ergebnis von kalten Konflikten kann bis hin zum Ausscheiden von einem oder mehreren Gruppenmitgliedern führen.
Das Drehbuch eines Konflikts - Das Eskalationsmodell nach Friedrich Glasl6)[Bearbeiten]
Ein Konflikt verläuft nach gewissen Regeln. Das Eskalationsmodell beschreibt den Verlauf, den ein Konflikt nehmen kann. Folgende Phasen werden unterschieden:
Stufe 1-3 WIN – WIN
- Konflikte verschärfen sich, weil die Menschen fortwährende Frustrationen erleben.
- Die betreffenden Personen verlieren dadurch immer mehr ihre Kompetenzen zur Problemlösung und ihr Einfühlungsvermögen.
- Die Hoffnung auf eine gemeinsame Lösung stirbt nur allmählich.
- Durch die zunehmende Frustration wird mehr gehandelt und immer weniger direkt miteinander gesprochen.
Meist merkt man als Gruppenleiter*in diese Entwicklung nur schleppend, weil leider viele Konflikte „kalt“ ausgetragen werden. Im Falle eines Teamkonflikts zum Beispiel kann es sein, dass eine Person immer öfter der Heimstunde fernbleibt oder bei Besprechungen nie Zeit hat. Es ist eine Eskalationsstufe, wo noch sehr gut eingegriffen und allgemein recht schnell eine Gesprächsbasis wiederhergestellt werden kann.
Stufe 4-6 WIN – LOSE
- In dieser Phase möchte man auf Kosten der anderen punkten.
- Man möchte sich selber schützen, das Selbstbild wahren und Unterstützung finden (Allianzen mit „MitstreiterInnen“ bilden)
- Der differenzierte Blick von den anderen wird durch Stereotypen ersetzt, man verliert zunehmend Kontakt mit der Lebenswirklichkeit. („Der kommt IMMER zu spät. Kann der das NIE richtig machen?“)
- Am Ende dieser Phase tritt man in defensiver Absicht die Flucht nach vorne an. Durch Drohen will man verhindern und treibt die Sache nur noch weiter an.
Jetzt musst du als Gruppenleiter*in auf jeden Fall aktiv handeln. Konflikte sind jetzt sehr offensichtlich und verhärtet.
Suche das Gespräch und bringe alle Beteiligten an einen Tisch!
Stufe 7-9 LOSE – LOSE
- Angedrohte Ultimaten und Sanktionen werden umgesetzt
- Aggression
- Anwendung von Gewalt
- Die Parteien möchten sich nur noch loswerden, man ist auch bereit dafür Nachteile in Kauf zu nehmen.
Hier stellt sich die Frage, je nach Konflikt, ob du noch alleine als Gruppenleiter*in diese Art von Konflikten bearbeiten kannst. Es wird mehr als nur Gespräche bedürfen, eventuell müssen Personen die Gruppe verlassen. Hier bist du auf Hilfe von außen angewiesen. Durch angewandtes Konfliktmanagement sollte es allerdings nie so weit kommen.
Worum geht’s beim Konflikt eigentlich?
„Das Problem sitzt tief.“ In dieser Redewendung kommt zum Ausdruck, dass Konflikte verschiedene Schichten haben. Je ‚tiefer’ ein Problem sitzt, desto schwieriger ist es zu lösen. In einer Grafik werden diese Schichten folgendermaßen dargestellt:
Die äußerste Schicht Arbeitsorganisation bezieht sich unter anderem auf Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitsbedingungen und Hilfsmittel.
Unterschiedliche Rollen werden durch die Arbeitsverteilung zugeordnet und durch Funktionen eingenommen. Dazu gehören Entscheidungs- und Verantwortungsbereiche und die erforderlichen Fähigkeiten.
Die dritte Schicht bezieht sich auf das Verhalten. Treten wiederkehrende Verhaltensmuster (Rückzug, Schweigen, Initiative, Vielredner*innen, Konkurrenz etc.) auf? Wie ist das Verhalten bei der Übernahme bestimmter Rollen oder im Umgang mit schwierigen Situationen? Wie ist der Leitungsstil?
Menschenbilder, Ziele, Vorurteile oder Einstellungen sind tief verwurzelt, oft unbewusst und unausgesprochen. Diese Werte und Normen sind in der vierten Schicht.
Jeder Mensch hat durch seine Lebensgeschichte ein eigenes Persönlichkeitsprofil, welches ihn zu einer einmaligen Person macht. Dass dies zu Spannungen führen kann, liegt auf der Hand.
Bei der Aufarbeitung der Konfliktthemen startest du am besten bei der 1. Schicht und gehst dann weiter nach unten vor. Jedoch nur so weit wie nötig! Es macht keinen Sinn über die Person an sich zu diskutieren bzw. über grundsätzliche Werte und Normen der Beteiligten. Diese wirst du als Gruppenleiter*in nie ändern können.
Konfliktbearbeitung[Bearbeiten]
Du hast so viele Informationen über den Konflikt wie möglich gesammelt, dann folgt die spannende Phase der Konfliktbearbeitung.
Handelt es sich um eine größere Gruppe als 7 Personen, dann sollten Moderationsbehelfe wie Flipcharts (zur Visualisierung der Themen und Lösungsmöglichkeiten), Moderationskarten (Notieren der Themen der Beteiligten) oder Pinnwände zur Strukturierung der Inhalte zur Anwendung kommen. Bei vielen Beteiligten steigt der Anspruch an Transparenz und Übersichtlichkeit.
Wichtig ist das persönliche Gespräch. Hole alle beteiligten Personen an einen Tisch zusammen.
- Einen sicheren Rahmen schaffen
- Um ein offenes und ehrliches Gespräch zu führen, ist es wichtig, dass alle Personen sich wohl fühlen und das Gefühl haben, sicher sprechen zu können. Als Gesprächsleiter*in ist es deine Aufgabe, diesen Rahmen zu schaffen. Neben einem ruhigen, ungestörten Raum sind Gesprächsregeln hilfreich.
- Gesprächsregeln vereinbaren und die Einhaltung überwachen
- Zu Beginn des Gesprächs schaffen Gesprächsregeln Klarheit während der Konfliktklärung. Als Gesprächsleiter*in bittest du die TeilnehmerInnen diese einzuhalten. Dazu zählen unter anderem Zuhören und Ausreden lassen; Wertschätzender Umgang miteinander ohne Beschimpfungen und Bewertungen; Ehrlichkeit und Offenheit, um Einblick in den Konflikt zu erhalten;
- Personen zu Wort kommen lassen / Bereitschaft zur Konfliktlösung ausloten
- Die Austragung eines Konflikts ist für die beteiligten Personen anstrengend. Je nach Eskalationsstufe haben sich Enttäuschung, Frustration oder auch Aggression angesammelt. Nachdem du als Gesprächsleiter*in Rahmen und Gesprächsregeln geklärt hast, sollten die beteiligten Personen der Reihe nach zu Wort kommen und den Konflikt aus der persönlichen Perspektive schildern. Dabei bitte darauf achten, dass die Gesprächszeiten ausbalanciert sind und die Gesprächsregeln eingehalten werden. Bei Unklarheiten sofort nachfragen! Siehe Punkt Gesprächsinterventionen.
- Themen sammeln
- Nachdem alle Beteiligten zu Wort gekommen sind, sollte der erste Druck des Konflikts abgebaut sein. Dies ebnet den Weg zu den wahren Themen durchzudringen. Du kannst nun als Gesprächsleiter*in versuchen die Themen zusammenzufassen bzw. Rückfragen zu stellen, welche Themen die Konfliktbeteiligten sehen.
Typische Rollenbilder im Konflikt7[Bearbeiten]
Wahrscheinlich fallen dir spontan Namen zu den folgenden Kommunikationsmustern ein – bedenke aber in jedem Fall, dass jeder Mensch in unterschiedlichen Situationen in unterschiedliche Muster fallen kann und daher niemand einer Schublade zugeordnet werden sollte.
Ankläger*in
Seine*Ihre Haltung im Gespräch ist nicht zustimmend, die anderen machen alles falsch. Er*Sie ist anklagend („Ich bin hier der Boss“). In Gedanken sieht es meist anders aus: „Ich bin einsam und erfolglos…“. Seine*Ihre Körperhaltung ist angespannt, aggressiv, auf den*die „Schuldige*n“ weisend.
- Lass dich von ihm*ihr nicht unter Druck setzen. Siehe Gesprächsinterventionen: es helfen dir Konkretisieren und Normalisieren besonders.
Beschwichtiger*in
Du erlebst ihn*sie als zustimmend im Gespräch ganz nach dem Motto „Alles ist in Ordnung“. „Ich lebe nur um dich glücklich zu machen“. Seine*Ihre Haltung zeigt „Sei mir nicht böse, ich bin hilflos“. Er*Sie sucht Anerkennung, macht sich klein, schaut auf und wirkt anflehend.
- Jemand, der Konflikte ausblendet, ist schwer in das Gespräch miteinzubeziehen. Vielleicht schaffst du es den*die Beschwichtiger*in zu eskalieren, damit ihm*ihr klar wird, dass er*sie Teil des Konflikts ist.
Ablenker*in
Er*Sie geht mit seinem*ihrem Gegenüber keine Beziehung ein, seine*ihre Worte stehen mit dem Gegenüber nicht in Zusammenhang. Andere Themen sind ihm*ihr wichtiger. Seine*Ihre innere Haltung beruht auf dem Grundsatz „Niemand macht sich etwas aus mir. Ich gehöre nirgendwo hin, was mach ich überhaupt hier.“
- Ebenso schwierig kann ein*e Ablenker*in sein. Hole ihn*sie mit konkreten, ihn*sie betreffenden Fragen zum Gesprächsverlauf zurück.
Rationalisierer*in
Wirkt überaus vernünftig, er*sie macht Beobachtungen und handelt verstandsmäßig. Er*Sie wirkt gespannt und distanziert. Seine*Ihre Gedanken kreisen um „Ich darf keinen Fehler machen, ich fühle mich ausgeliefert“. Du nimmst ihn*sie als steif, unbeweglich, kontrolliert und korrekt war.
- Nütze die Eigenschaften des Rationalisiers oder der Rationalisiererin zu deinem Vorteil. Er*Sie kann dein*e unausgesprochene*r Teampartner*in werden und hilfreich sein, den Konflikt aus einer neutralen Position aus zu sehen.
Positionen – Interessen – Bedürfnisse8[Bearbeiten]
Wenn wir einen Konflikt oberflächlich betrachten, geht es meist um 2 unterschiedliche Positionen. Ein einfaches Beispiel: A möchte das Fenster im Schlafraum geöffnet haben, B möchte es geschlossen halten. Die beiden beginnen einen Streit um ein offenes oder geschlossenes Fenster. Doch wie sieht es mit ihren Interessen und Bedürfnissen dahinter aus? Um diese im ersten Moment unlösbare Situation zu verstehen, fragst du am besten nach: Warum möchte A das Fenster öffnen und warum B nicht? Die Antworten geben Aufschluss: A möchte das Fenster öffnen, da er einen sehr warmen Schlafsack hat und besser bei Frischluft schläft. B möchte das Fenster geschlossen halten, weil er befürchtet eine Verkühlung durch Zugluft zu bekommen und außerdem am dichtesten beim Fenster schläft. Somit ergeben sich mehr Lösungsmöglichkeiten als zuvor. A könnte in einem anderen Raum schlafen. Vielleicht kann nur gekippt werden und B legt sich weiter vom Fenster weg? Vielleicht kann ein anderes Fenster im Nebenraum geöffnet werden? Wird dir klar, warum es wichtig ist, hinter die Positionen zu sehen? Du kennst nun die Interessen und Bedürfnisse der Kontrahenten.
Stolperfalle: Machtgefälle
Ein Machtgefälle liegt vor, wenn zwei Personen unterschiedlicher Gruppenstellung (z.B. „alter Hase“ vs. „Assistent im 1. Jahr“) einen Konflikt austragen und es klar eine*n „Stärkere*n“ und Eine*n „Schwächere*n“ gibt. Dann überlege, ob du zusätzlich jemanden in die Runde einlädst, der ausgleichend wirkt. Im Beispiel könntest du den*die Stufenleiter*in des Assistenten/der Assistentin bitten anwesend zu sein.
Verstehen heißt nicht Einverstanden sein[Bearbeiten]
Ein Ziel in der Konfliktbearbeitung ist, dass die Kontrahenten gegenseitiges Verständnis aufbringen. Das bedeutet nicht, dass sie mit der Position des anderen einverstanden sind! Durch Nachfragen und durch unterschiedliche Interventionstechniken können die Interessen, Bedürfnisse und Hintergründe, die zum Konflikt führen, herausgearbeitet werden.
Interventionstechniken[Bearbeiten]
- Aktives Zuhören
- Wenn die Personen ihre Sichtweise erzählen, dann höre aufmerksam zu und gib deinem Gegenüber das Gefühl ungeteilter Aufmerksamkeit. Die Beteiligten des Konflikts reagieren meist sehr positiv auf das aktive Zuhören, da es die Möglichkeit eröffnet, die Situation auch aus einer anderen Perspektive zu sehen. Wesentlich ist, dass Raum und Zeit vorhanden sind, um ihre Sichtweise darlegen zu können. Das entspannt die Stimmung. Bei der Technik des aktiven Zuhörens geht es um folgendes:
- ♦ Wahrnehmung der Gemütsbewegungen und Emotionen des*der Sprechenden
- ♦ Versuche das Gesagte in eine neutrale Sprache umzuformulieren (keine Bewertungen, keine Beschuldigungen mehr)
- ♦ Fasse die erhaltenen Informationen zusammen
- Neutralisieren
- Versuche wertende Sprache zu hören und neutral umzuformulieren. Dies ist keine leichte Sache und benötigt Übung, verbessert das Gesprächsklima aber ungemein.
- Beispiel: „Du machst das falsch!“
- D.h. du wünschst dir, dass deine Sichtweise zum Ablauf berücksichtigt und gesehen wird, wie du arbeitest? Wir unterscheiden uns oft durch unterschiedliche Arbeitsweisen – das müssen wir uns näher ansehen, ich denke es handelt sich nicht um richtig oder falsch, sondern um „anders.“
- Normalisieren
- Wichtig hierbei ist, der Situation die Dramatik zu nehmen, zu zeigen, dass die Lage nicht außergewöhnlich und deshalb auch lösbar ist. Hinterfrage Übertreibungen und mache klar, dass ein bestimmtes Erleben oder Verhalten normal für eine derartige Situation ist.
- Beispiel:
- Das GuSp-Team hat seit September eine*n neue*n Stufenleiter*in mit an Bord, der*die relativ jung ist. Er*Sie hat die Sache mit den diversen Listen leider nicht ganz im Griff und bringt oft Durcheinander ins Team. Es bildet sich schön langsam eine Front gegen ihn*sie. Im Herbst beim Gruppenrat „kochen“ die anderen. Eine Normalisierung in diesem Fall wäre: „Es ist normal, dass jemand, der eine neue Position übernommen hat, am Beginn Fehler macht. Wichtig ist herauszufinden, warum die Fehler passieren und was er*sie braucht, um besser damit zurecht zu kommen.“
- Strukturieren/Zusammenfassen
- Eine Technik, die du vielleicht vom Moderieren kennst. Es macht Sinn, dazwischen das Gesagte zusammenzufassen. Hier kannst du andere Interventionstechniken kombinieren. Handelt es sich um eine größere Gruppe, dann hilft es, wichtige Punkte am Flipchart mitzuschreiben. Strukturieren bedeutet an dieser Stelle auch, dass du die Kontrolle über den Ablauf des Gesprächs behältst, d.h. zuerst die Themen sammeln und die Hintergründe/Bedürfnisse/Interessen dazu besprechen – und erst wenn alles klar ist, an Lösungen denken.
- Konkrete Aussagen fördern
- In hitzigen Gesprächen kommt es oft zu Verallgemeinerungen. Diese kannst du durch Nachfragen konkretisieren. Indem die Beteiligten mit Ihrer Sprache genauer werden, grenzt sich das Problem besser ein und es wird sichtbar, wie das Problem entstand. Grundsätzlich ist dies eine sehr zielführende Technik, da du als Gesprächsleiter*in den Beteiligten auch hilfst, selbst das Problem besser zu definieren.
- Beliebte Verallgemeinerungen: „immer“, „nie“, „alles“, „rechtzeitig“, „meiste Arbeit“, „Lärm“ (jede*r versteht andere Dinge unter Lärm), „sich kümmern“ (was bedeutet dies für die einzelne Person?), etc.
- Beispiel:
- Vorwurf eines Stufenleiters an den Assistenten: „Nie kommst du rechtzeitigt in die Heimstunde!“
- Du könntest folgendes nachfragen: „Nie – wirklich nie? Wie oft ist „nie“ pro Monat?“
- „rechtzeitig“ – was bedeutet rechtzeitig für den Stufenleiter? Meint er, dass er vielleicht den Assistenten schon 15 min vor Heimstundenbeginn sehen möchte, um mit ihm zu besprechen? Oder ist „rechtzeitig“ genau bei Heimstundenbeginn?
- Refraiming
- Hier versuchst du die Gemeinsamkeiten der beteiligten Personen zu unterstreichen und positiv zu formulieren. Du betonst das Ziel, zu dem beide zusammenarbeiten. Du kannst zum Beispiel herausstreichen, dass du es gut findest, dass ihr euch an einen Tisch setzt und den Konflikt besprecht und dass dir dieser Konflikt zeigt, wie wichtig das Thema XY den Beteiligten ist. Genau deswegen seid ihr jetzt zusammengekommen, um herauszufinden, was los ist und wie ihr gemeinsam das Problem lösen könnt. Refraiming kann gut zu Beginn eines Gesprächs funktionieren, oft aber auch als Bestärkung, dass es einen wesentlichen Schritt bedeutet hat, dass die Beteiligten ihren Standpunkt offen und ehrlich dargelegt haben.
Lösungsfindung[Bearbeiten]
So schwerwiegend und heftig auch ein Konflikt begonnen hat, irgendwann kommst du an den Punkt, wo jede*r seine*ihre Interessen, Hintergründe und Bedürfnisse erläutert hat und die beteiligten Personen sich gegenseitig gehört haben. Im Idealfall ist gegenseitiges Verständnis entstanden. Nun wird es Zeit, eine Lösung für den Konflikt zu finden. Die nachhaltigste Variante entsteht, wenn die am Konflikt beteiligten Personen selbst für sich eine Lösung finden und nicht du als Gruppenleiter*in einen Vorschlag unterbreitest. Für die konkrete Umsetzung der Lösungsfindung kannst du in anderen Kapiteln aufgelistete Kreativmethoden, wie zum Beispiel Brainstorming heranziehen.
Folgende Endergebnisse sind am häufigsten:
Konsens[Bearbeiten]
Konsens bedeutet für alle beteiligten Personen eine WIN/WIN Situation herzustellen, indem nach einer Lösung gesucht wird, die
- (technisch) machbar,
- rechtlich erlaubt ist und
- für alle Beteiligten einen Vorteil darstellt.
Hierzu ist auf jeden Fall gegenseitiges Verständnis notwendig, was mitunter etwas zeitintensiver ist (mehrere Gesprächsrunden, etc.), aber im Endeffekt einen klaren Vorteil für die zukünftige Zusammenarbeit und Motivation der Beteiligten darstellt.
In der Praxis ist dies nicht immer möglich, daher kann eine Entscheidung auch wie folgt aussehen:
Kompromiss[Bearbeiten]
Der Kompromiss ist die häufigste Form der Konfliktregelung – aber nicht unbedingt die beste. Für einen Kompromiss muss mindestens eine der beiden Konfliktparteien von ihren ursprünglichen Positionen zumindest einen Teil abrücken. Es kommt daher zu einer Win-Lose oder sogar Lose-Lose Situation. Du hast zwar für den Moment den Konflikt entschärft, aber sehr wahrscheinlich bietet das keine endgültige Lösung.
Autoritäre Entscheidung[Bearbeiten]
Eine solche Entscheidung sollte nur in dringlichen Fällen (Gefahr in Verzug) getroffen werden. Und wenn, dann nur mit guter, einsehbarer Begründung: „Das machen wir jetzt so, weil keine Zeit für Diskussionen ist und ich sonst die Verantwortung nicht übernehmen kann. Nachher können wir gerne darüber diskutieren.“ So eine Situation MUSS auch im Nachhinein besprochen werden. Die Reflexion kann ergeben, dass die Entscheidung durchaus nicht glücklich war. Aber: Damit ist nicht automatisch ein Gesichtsverlust verbunden, sondern kann als „Know How - Sicherung“ für ähnlich gelagerte Situationen in der Zukunft genutzt werden.
Vorteil
Schnelle Regelung für das Problem. Die Streitparteien sind nicht aufeinander böse, sondern auf dich.
Nachteil
Möglicherweise falsche Entscheidung. Kein Einbinden der Betroffenen – daher kürzeste Dauer der Problemregelung. Keine LÖSUNG!
À la Carte - Praktischer Teil
Wie würdest du in folgenden Situationen reagieren bzw. antworten / Fragen stellen? Du findest im Anhang Beispiele / Vorschläge für Reaktionen – dies bedeutet nicht, dass diese die einzig wahren Antworten sind.
Aktives Zuhören
„Unsere Besprechungen enden immer im Chaos und sind ziel- und planlos. So kann es nicht mehr weitergehen!“
Aufgabe: Aktiv zuhören
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Beispiel der Umsetzung: „Wenn ich dich richtig verstehe, wünscht du dir mehr Struktur und Planung bei den Besprechungen. Wie könnte das konkret ausschauen?“
Neutralisieren
„Mein Stufenassistent hat die Aktion komplett schlecht geplant und daher bleibt schon wieder einmal alles an mir hängen!“
Aufgabe: wertende Sprache hören und umformulieren
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Beispiel der Umsetzung: „Du warst mit der Umsetzung der Planung der Stufenaktion nicht zufrieden, weil du es selbst vielleicht anders gemacht hättest. Jede*r von uns hat eine eigene Arbeitsweise. Wir sitzen heute genau deswegen zusammen, um zu besprechen, wie Unzufriedenheiten bei der Umsetzung in Zukunft vermieden werden können.“
Normalisieren
„Wir haben uns als Team auf unterschiedliche Dinge geeinigt – unter anderem, dass wir immer unsere Emails checken, damit keine Information verloren geht. Es funktioniert gar nicht, es kommen keine Antworten, Deadlines werden versäumt, etc. So freut mich die Arbeit im Stufenteam überhaupt nicht mehr!“
Aufgabe: den*die Sprecher*in auf „den Boden“ zurückholen.
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Beispiel der Umsetzung: „Es ist völlig normal, dass ihr als Team nach 2 Monaten noch Schwierigkeiten mit der Kommunikation habt – deswegen sitzen wir zusammen, um genau diese Punkte zu besprechen.“
Konkrete Aussagen fördern
„Die RaRo können sich an keine Regeln halten, räumen nie auf und kommen immer zu spät!“
Aufgabe: Die Genauigkeit der Situation verbessern
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Beispiel der Umsetzung: „Wirklich an keine Regeln? Immer zu spät? Wer kommt zu spät? Was heißt zu spät? Wann beginnt die Heimstunde und wann erwartest du, dass die RaRo kommen? Um welche Regeln geht es genau? Kennt jede*r die Regeln und hat diese auch verstanden?“ Etc.
Quellen:
1 Psychologisches Konfliktmanagement | Becker, A. H. & Becker, H. | 4. Auflage | Beck-Wirtschaftsberater | Seite 103
2 Konflikte als Chance|http://konfliktberatung.univie.ac.at/grundlagen-ueber-konflikte/konflikt-als-chance | [26. 10. 2015]
3 Theorie sozialer Konflikte | Coser L.A. | Neuwind | 1965
4 Mustersatzung für NÖ Pfadfindergruppen | V 1-2 | 2016
5 Konfliktmanagement-Konflikte erkennen, analysieren, lösen | Schwarz, Gerhard | 9. Auflage | Wien 2014
6 Konfliktmanagement-Ein Handbuch für Führungskräfte und Berater | Glasl, Friedrich | 2 Auflage | Bern/Stuttgart,1990
7 „Selbstwert und Kommunikation“ | Satir, Virginia
8 Das Harvard Konzept | Fisher, Roger; Ury, William; Patton, Bruce | Auflage 2014
GOLD-Das Handbuch für Gruppenleiter und Gruppenleiterinnen, März 2016
Autor*innen: GL-Bundesarbeitskreis