GOLD-Leitbild und Leitbildentwicklung: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 2. März 2022, 19:38 Uhr
Was ist ein Leitbild
Leitbilder sind Ausdruck organisationaler Eigenverantwortung. Sie entwerfen ein „realistisches Idealbild“, das für die Strategie und die „Mission“ einer Pfadfinder*innengruppe Orientierung schafft. Es dient also als Ausgangsbasis für die Ableitung konkreter Strategien, Richtlinien und Umsetzungsmaßnahmen.
Ein eigenes Leitbild zu haben wäre zwar schön, ist aber nicht zwingend erforderlich. Aber dann solltest du dir am besten das Leitbild der PPÖ hernehmen, es kennen lernen und es in deiner Gruppe verwenden.
Das Leitbild einer Pfadfinder*innengruppe sollte sich am Leitbild der PPÖ orientieren, das folgendermaßen lautet:
Pfadfinder*in sein heißt…[Bearbeiten]
... Demokratie und Frieden erleben
Wir sind Mitglied der größten Kinder- und Jugendbewegung der Welt. Durch gelebte Demokratie und internationale Begegnungen leisten wir einen nachhaltigen Beitrag für den Frieden.
... kritisch, parteipolitisch unabhängig sein
Wir ermutigen zu kritischem Denken. Wir beschäftigen uns auch mit gesellschaftspolitischen Herausforderungen, bewahren dabei jedoch unsere parteipolitische Unabhängigkeit.
... unsere Umwelt beachten, die Natur schützen
Wir ermutigen unsere Kinder und Jugendlichen aktiv für den Natur- und Umweltschutz einzutreten.
... Gemeinschaft erleben, Kompetenzen stärken
Wir bieten Kindern und Jugendlichen eine Gemeinschaft, in der sie ihre Stärken und ihre sozialen Kompetenzen weiter entwickeln können und fördern die ganzheitliche Entwicklung unserer Mitglieder. Durch die altersgemäße Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen stärken wir deren Teamfähigkeit und Zivilcourage. Wir sehen diese Mitbestimmung als Voraussetzung und Chance, unsere Bewegung offen zu gestalten und ständig weiter zu entwickeln.
... Bedürfnisse erkennen, Individualität fördern
Wir fördern Kinder und Jugendliche entsprechend ihrer altersgemäßen und geschlechtsspezifischen Bedürfnisse. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist der offene und sensible Umgang mit ihrer religiösen und ethnischen Herkunft. Die Förderung der persönlichen Religiosität ist uns wichtig. Wir sind offen für Menschen mit Behinderungen. Sie bringen ihre Fähigkeiten in die Gemeinschaft ein.
... Abenteuer erleben
Unsere besondere Stärke ist die pädagogische Arbeit für und mit Kindern und Jugendlichen von 7-20 Jahren. Wir setzen unser Programm mit Hilfe qualifiziert ausgebildeter Kinder- und JugendleiterInnen in ganz Österreich um.
... ehrenamtlich aktiv sein, Fähigkeiten nützen
Unsere ehrenamtlichen MitarbeiterInnen gestalten die Gesellschaft im jeweiligen persönlichen Umfeld verantwortungsvoll mit. Sie schöpfen ihre Motivation aus dem Sinn ihres sozialen Engagements, sowie aus dem Wert von persönlichen Freundschaften innerhalb der Bewegung. Unsere Kinder- und JugendleiterInnen entwickeln sich sowohl durch Erfahrungsaustausch, durch das Lernen in der Gruppe, durch persönliche Weiterbildung als auch auf Ausbildungsseminaren weiter. Die erworbenen Fähigkeiten und Kompetenzen können sie auch über ihre pfadfinderische Tätigkeit hinaus nutzen.
... ständige Weiterentwicklung fordern und fördern
Unser Kinder- und Jugendprogramm und die Aus- und Weiterbildung der Kinder- und JugendleiterInnen werden auf Basis unserer Grundsätze kontinuierlich weiterentwickelt. Diese Weiterentwicklung basiert auf regelmäßiger Evaluierung, ständigem Austausch unserer Kinder- und Jugendleiter*innen untereinander, sowie auf dem Einbringen von persönlichen Erfahrungen aus dem privaten und beruflichen Umfeld.
Das Leitbild einer Pfadfinder*innengruppe sollte auf dem PPÖ Leitbild aufsetzen und spezifische Aussagen zur Pfadfinder*innengruppe machen, aber nicht zu den Grundwerten der PPÖ.
Das Leitbild beschreibt den Verhaltenskodex innerhalb der Gruppe und ist die „Botschaft“ der Pfadfinder*innengruppe an die Öffentlichkeit.
Begriffsbestimmung[Bearbeiten]
Leitbilder ...
- werden häufig als das Grundgesetz, die Verfassung oder die „Charta“ einer Gruppe bezeichnet
- stellen die „Visitenkarte“ einer Gruppe dar
- bieten Orientierung für die Weiterentwicklung einer Gruppe
- reflektieren die gemeinsame Wertebasis einer Organisation
- formulieren die grundlegenden Überzeugungen und Ziele, die für die Gruppe gültig sein sollen
- definieren die Verantwortung gegenüber den verschiedenen Anspruchsgruppen (Stakeholdern) einer Gruppe
Gleichzeitig dokumentieren Gruppen und Non Profit Organisationen (NPO) mit ihren spezifischen Leitbildern ihre gesellschaftspolitische Verantwortung. Sie reagieren damit auf das gestiegene öffentliche Interesse an einem verantwortlichen Handeln innerhalb ihres Umfeldes und der Umwelt.
Ein Leitbild kann nur dann positive Auswirkungen auf die Entwicklung einer Gruppe haben, wenn es von allen Mitgliedern und MitarbeiterInnen verstanden und getragen wird – es muss also „gelebt“ werden. Leitbilder vermitteln eine klare Vision gemeinsamer Werte und geben Handlungsaufforderungen.
Durch die Orientierungsfunktion erhöht sich die Motivation der Teammitglieder, und durch die Selbstverpflichtung verbessert sich die externe Reputation, das Ansehen der Gruppe.
Darüber hinaus leistet ein Leitbild einen Beitrag zur Sinnfindung einer Gruppe, ist ein geeignetes Instrument des Change-Managements und erleichtert die kulturelle Transformation der Gruppe. Durch ein Leitbild entstehen in einer Gruppe und in einem Verband Identität und Transparenz. Dies fördert die Identifikation und die Motivation der Mitglieder, sowie der ehren- und hauptamtlichen MitarbeiterInnen – heute auch in NPO‘s entscheidende Faktoren für den langfristigen Organisationserfolg.
Entwicklung eines Leitbildes[Bearbeiten]
Die Verantwortung für die Erstellung eines Leitbildes liegt maßgeblich bei der Gruppenleitung und dem ER (Prozessverantwortung).
Folgende Grundsatzfragen helfen dir bei der Formulierung des Leitbildes:
- Wer sind wir?
- Welche langfristigen Ziele haben wir?
- Was macht uns so unverwechselbar?
- Worin bestehen unsere Kernkompetenzen?
- Wie lauten unsere Kernleistungen?
- Wer sind unsere internen und externen Anspruchsgruppen (Stakeholder)?
- Wie wollen wir miteinander umgehen?
- Wie wollen wir nach innen und außen kommunizieren?
- Wie lauten unsere gemeinsamen Normen und Werte?
- Wie wollen wir uns gegenüber unseren internen und externen Anspruchsgruppen verhalten?
Vorgehen
Die Erstellungsphase eines Leitbildes ist für die Akzeptanz und somit für die Umsetzung durch die Mitarbeiter*innen und Mitglieder einer Gruppe die entscheidende Phase des Leitbild-Prozesses. Vorteilhaft ist die Partizipation möglichst vieler Mitarbeiter*innen und Mitglieder, um eine ausreichende Realitätsnähe des Leitbildes zu erreichen und gleichzeitig die Identifikation zu fördern. Neben der Beteiligung der Mitarbeiter*innen ist das kontinuierliche Engagement der Gruppenleitung von entscheidender Bedeutung. Ein klares Signal „von oben“ ist notwendig, um das Projekt, den Prozess „Leitbild“ nachhaltig und effektiv in der Gruppe zu positionieren und durchzuführen.
Die Vorgehensweise der Leitbilderstellung ist auf zwei Arten möglich: Der „Bottom-Up" Prozess ermöglicht die Partizipation aller Beteiligten. Eine praktische Umsetzung dieser Forderung ist mit Hilfe eines Arbeits- und Steuerteams möglich, welches die VertreterInnen aller beteiligten Führungsebenen (LeiterInnen aller Stufen, MitarbeiterInnen, Eltern und Mitglieder) einbezieht. Das „Top-Down“ Vorgehen wird von der Gruppenleitung initiiert, sie ist die alleinige Instanz für die Leitbilderstellung. In diesem Ansatz liegt allerdings die Gefahr der fehlenden Akzeptanz eines Leitbildes durch die MitarbeiterInnen und Mitglieder einer Gruppe.
Deshalb: Beziehe möglichst frühzeitig viele Mitglieder deiner Gruppe in den Entwicklungsprozess des Leitbildes mit ein. Solch ein partizipativer „Bottom-Up“ Prozess ist eine erfolgversprechende Voraussetzung dafür, dass das Leitbild später auch akzeptiert und gelebt wird.
Leitbilder fallen nicht vom Himmel – sie müssen systematisch entwickelt, kommuniziert und umgesetzt werden. Folgender achtstufiger Ablauf bei der Entwicklung eines Leitbildes in einer NPO hat sich bewährt:
Ablauf eines Leitbild-Entwicklungsprozesses
- Die Bereitschaft und Akzeptanz innerhalb der Gruppe sicherstellen
- Analysephase (Trends, Stärken/Schwächen der Gruppe, Umfeld und Umwelt der Gruppe)
- Erstentwurf des Leitbildes durch eine Projektgruppe
- Vision erarbeiten
- Mission ableiten
- Zentrale Normen und Werte festhalten
- Führungs- und Verhaltensgrundsätze festlegen
- Strategische Organisationsziele ableiten
- Diskussion des Entwurfs innerhalb der Gruppe
- Sammlung von Anregungen und Beiträgen
- Einarbeitung in den Entwurf im Rahmen einer „Klausur“
- Endversion des Leitbildes
- Kommunikationskonzept und aktive Umsetzung des Leitbildes nach innen und außen
Nutzt die Instrumente der:
- Analyse, z.B.: SWOT-Analyse (siehe Kapitel „Langfristige Planung in der Gruppe“), Befragung aller Mitglieder, etc.
- Kreativitätstechniken: z.B.: Brainstorming, Mindmap, etc. und brecht den kreativen Such- und Diskussionsprozess nicht zu früh ab, wichtig ist hierbei eine zielführende – wenn möglich professionelle – Moderation.
Wo liegen Stolpersteine?[Bearbeiten]
Es kann Stolpersteine im Prozess der Leitbildentwicklung geben:
- Fehlende Vorbildfunktion der Gruppenleitung
- Interner und externer Veränderungsdruck, sowie ein neues Leitbild reichen in der Praxis in der Regel nicht aus, um eine „Kulturveränderung“ erfolgreich durchzuführen. Die Gruppenleitung muss den Prozess der Leitbildentwicklung und die Notwendigkeit einer Vision glaubhaft vertreten und auch vorleben.
- Problem des Spagats zwischen neuer und alter Organisationskultur
- Die Forderung nach der Vorbildfunktion der Gruppenleitung ist vor allem in der „Umsetzung“ des Leitbildes sehr wichtig. Es muss das neue Leitbild in den Alltag der Pfadfinder*innengruppe integriert werden, denn es besteht ja meist schon ein bisher gültiges – meist nicht explizit ausformuliertes, aber implizit vorhandenes – Leitbild und die mit ihm verknüpften „Normen“ und Gruppenkultur. Ein vorhandenes, altes Leitbild kann nicht einfach per Beschluss „deaktiviert“ werden; der Beschluss eines neuen Leitbildes ist meist auch der Beginn eines Prozesses der kontinuierlichen Veränderung von Verhaltensweisen und Abläufen innerhalb der Gruppe und muss evolutionär mit Leben erfüllt werden.
- Kopieren anstatt selbst erarbeiten
- Der Beschluss, sich ein Leitbild zu geben, darf nicht darin münden, aus drei bis vier bestehenden Leitbildern anderer Gruppen oder Organisationen einige wohlklingende Passagen zu übernehmen. Die Begriffe des Leitbildes müssen mit den eigenen Ideen und Vorstellungen verknüpft werden; Formulierungen, die für eine Gruppe absolut stimmig sind, können nicht einfach auf eine andere Gruppe angewandt werden.
- Ein entscheidender Prozessschritt der Leitbilderstellung ist die möglichst gründliche Auseinandersetzung mit den Zielen der eigenen Gruppe, mit den eigenen Worten und Begriffen. Es ist deshalb auch wichtig – falls das Leitbild in einem ersten Schritt nur von einem Teil der Gruppe formuliert wird – sich zu versichern, dass alle MitarbeiterInnen und Mitglieder der Gruppe die Kernaussagen des Leitbildes auch gleich verstehen.
- Pointieren anstatt nivellieren und breitzutreten
- Gerade in demokratisch strukturierten und organisierten Gruppen verlieren pointierte Formulierungen im Verlauf des Leitbildentwicklungsprozesses durch nivellierende Formulierungen ihre Aussagekraft. Viele Gruppen scheuen sich „Farbe zu bekennen“: Statt sich eindeutig zu positionieren, verstecken sie sich lieber hinter Worthülsen.
- Viele Leitbilder von NPO‘s versuchen auch jeden irgendwie und irgendwo vielleicht zu beachtenden Aspekt zu integrieren. Die Folge: Die Leitbilder sind viel zu detailliert und deshalb entschieden zu lang. Fazit ist: eine Seite ist genug.
Mögliche Fragen zur Leitbildentwicklung[Bearbeiten]
Marvin R. Weisbord ist seit über dreißig Jahren als Organisationsberater tätig und war Gastdozent verschiedener Universitäten in den Vereinigten Staaten. Er hat für die Begleitung einer Organisation während eines Veränderungsprozesses nachfolgende Fragen, die auch für die Erstellung eines Leitbildes herangezogen werden können, erstellt.
Ziele
- Sind sie klar und deutlich formuliert und den Mitgliedern der Organisation bekannt?
- Gibt es in der Organisation eine Übereinstimmung im Hinblick auf die Ziele?
- Wie werden die Ziele aufbereitet und umgesetzt für die praktische Arbeit?
- Sind die Ziele formuliert in der Auseinandersetzung mit dem Input der Umwelt?
- Auf die Widersprüche zwischen formulierten und realisierten Zielen achten!
Struktur
- Wie wird Arbeit geteilt?
- Wer teilt auf? Wie ist die Arbeitsteilung geregelt (schriftlich, durch Protokolle, Arbeitsverträge oder mündlich)?
- Wird die Arbeit vom „Produkt“, den „Kunden“ oder von der Struktur der Organisation bestimmt?
- Gibt es wichtige und unwichtige Arbeiten?
- Passt sich die Arbeitsteilung den sich veränderten Bedingungen an (z.B. der Kundenkreis ändert sich;
- eine Aufgabe ist erfüllt; ein bestimmtes Produkt bzw. eine bestimmte Dienstleistung werden nicht mehr gebraucht)?
- Gibt es bestimmte Normen, die eine effektive Arbeitsteilung verhindern (z.B. alle machen alles, eine überdifferenzierte Spezialisierung löst Arbeitszusammenhänge auf)?
- Wie entspricht die Arbeitszeit der Arbeitsteilung?
Beziehungen
- Wie sind die Beziehungen zwischen den Einzelpersonen (Gruppen) gestaltet?
- Werden Absprachen getroffen und eingehalten?
- Gibt es ein Gefühl von Verlässlichkeit, das Kooperation ermöglicht bzw. trägt?
- Wird der Grundsatz praktiziert: Kooperation so viel wie nötig, nicht: so viel wie möglich?
- Ist die Balance zwischen Beziehungs- und Sachebene in Ordnung, oder kollabiert die eine Ebene zugunsten der anderen (siehe Kapitel Kommunikation)?
- Wie wird mit Konflikten umgegangen? Werden sie bearbeitet? Werden sie offen oder versteckt verhandelt (unter den Teppich gekehrt), konfrontiert oder beschönigt? Gibt es Gewinner*innen, Verlierer*innen, Rituale?
Anerkennung/Anreize
- Welche Mittel der Anerkennung gibt es in der Organisation?
- Fortbildung, Feedback, Gehaltserhöhung, Beförderung, Orden, Ausstattung des Arbeitsplatzes, etc.?
- Wer zeigt wem, ob und wie Personen zufrieden/unzufrieden sind?
- Gibt es regelmäßige Mitarbeiter*innengespräche?
- Sind sie von oben nach unten oder auch von unten nach oben im Zwei-Wege-Verfahren angelegt?
- Wer hat welche Privilegien?
Leitung
- Wer nimmt die Leitung wahr?
- Welches Leitungsmodell wird praktiziert?